Homosexuelle Paare und Menschen werden in der Öffentlichkeit verfolgt, verprügelt, beleidigt, bespuckt. Regenbogenfahnen werden abgerissen und angezündet. Schwule Männer werden mit pädophilen Gewaltverbrechern gleichgestellt. Lesbische Frauen als ungeeignet hingestellt, ein Kind zu erziehen oder ihnen wird nahe gelegt, sich mal ordentlich durchfi**en zu lassen.

Ja, so war das damals im Mittelalter und auch in der national-sozialistischen Nazi-Herrschaft. Ach, nun bist du verwirrt? Du meinst, auch heute passiert das noch? Aber wir haben das 21. Jahrhundert! Die Menschen sind doch heute so modern, aufgeschlossen, tolerant und verständnisvoll alles und jedem gegenüber, oder nicht? Nein, sind sie nicht. Du hast recht.

Auch heute noch passiert genau das. Auch heute noch, sind schwule oder lesbische Paare nicht sicher. Auch heute noch müssen sie Angst haben, vor die Tür zu gehen. Auch heute noch, im 21. Jahrhundert, werden sie als Kinderschänder abgestempelt, wenn sie ein Kind adoptieren möchten. Auch heute noch werden sie verpügelt und bespuckt. Und auch heute noch, sind sie nicht voll anerkannt.

Am 12. Oktober 2018 habe ich geheiratet. Damals waren meine Frau Michelle und ich das erste gleichgeschlechtliche und transsexuelle Ehepaar in Baden-Württemberg. Ja, wir sind beide Frauen mit transsexueller Vergangenheit und damit ein gleichgeschlechtliches, lesbisches Ehepaar. Die Hochzeit wurde damals von allen Medien, einschliesslich Fernsehen und Radio begleitet.

Als diese Hochzeit in den sozialen Medien angekündigt wurde, wurden wir von allen Seiten im höchsten Maße beleidigt. Uns wurde von allen Seiten Verachtung entgegen gebracht, Hass, Intoleranz und verbale Gewalt. Wir brachten dies zur Anzeige und schlussendlich entstanden zehn Strafanträge, die wir unterschrieben. Keinem einzigen Strafantrag wurde stattgegeben. Jeder ist damals komplett im Sande verlaufen.

Dass es auch anders geht, zeigt der Vorfall an dem Abend der Hochzeit, als wir beide am Abend vom Essen nach Hause liefen und ein uns völlig unbekannter Mensch von der anderen Straßenseite aus dem zweiten Stock eines Hauses heraus rief: „Alles Gute zur Hochzeit euch beiden!“

Erst heute wieder wurde mir dieser Hass und das Unverständnis, dem gleichgeschlechtlichen Paaren und Eltern ausgesetzt sind, wieder richtig bewusst, als die SWR Landesschau Baden-Württemberg auf Facebook den folgenden Beitrag teilte:

Die Kommentare die dort dann geschrieben wurden, waren absolut unterirdisch! Das war eine riesige Welle aus Hass und verbaler Gewalt, die diesen beiden Paaren entgegen schlug.

Dieser Hass und die Intoleranz sind eine Sache, eine andere sind aber die alltäglichen Diskriminierungen und die Schwierigkeiten, die gleichgeschlechtlichen Eltern auferlegt werden!

Ja, es gibt inzwischen die Ehe für alle. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen seit dem 01. Oktober 2017 in Deutschland heiraten.

Heiraten? – Ja. Aber eine gemeinsame Elternschaft sieht das deutsche Recht für gleichgeschlechtliche Paare auch heute immer noch nicht vor.

Am Standesamt holen sich Paare den amtlichen Stempel zum Glück. Ebenfalls beim Standesamt zeigen Paare die Geburt ihrer Kinder an. Eigentlich. Denn sind die Eltern zwei gleichgeschlechtliche Partner, die ein Kind bekommen, verweigern ihnen die Behörden die Anerkennung als Mutter und Mutter (oder Vater und Vater). Was bei heterosexuellen Paaren der Standard ist – die Frau entbindet, der Mann nickt, dann sagt er: „Ja, das ist mein Kind“ und unterschreibt dafür -, geht bei zwei Frauen nicht. Keine Unterschrift gilt und keine Erklärung hilft. Ein Nicken schon gar nicht. Das Kind hat nur eine Mutter. Die zweite Mutter wird vom Amt durch einen Stempel aussortiert.

Die „Ehe für alle“ hat für die Kinder gleichgeschlechtlicher Partner und Eltern einen entscheidenden Haken: Während bei Kindern heterosexueller Paare das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gilt, wonach „Vater eines Kindes der Mann [ist], der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft […] gerichtlich festgestellt ist“, wird genau dies gleichgeschlechtlichen Paaren verwehrt. Der andere Partner, das andere Elternteil muss einen Adoptionsantrag stellen – einen Adoptionsantrag für das eigene Kind.

Diese verfassungswidrige Diskriminierung von Regenbogenfamilien muss endlich beendet werden, damit alle Kinder zwei Eltern von Anfang an haben, ungeachtet des Geschlechts der Eltern.

Es besteht auch heute noch, im 21. Jahrhundert, sehr viel Handlungs- und auch Aufklärungsbedarf! Der Schutz und die Antidiskriminierungsarbeit müssen deutlich ausgebaut werden.

Doch nicht nur gleichgeschlechtliche Paare sind auch heute noch nicht gleichgestellt und werden auch heute noch an allen Ecken und Enden diskriminiert.

Auch transsexuelle Menschen haben hier riesige Probleme, wenn es um die Anerkennung des eigenen Kindes geht!

Ändert ein transsexueller Mensch nach dem Transsexuellengesetz (TSG) seinen Vornamen und seinen Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde, ist er offiziell vor dem Gesetz schon immer dieser Mensch mit dem angegebenen Geschlecht gewesen.

Dies gilt jedoch nicht für das Kind deses Menschen. Wird der Geschlechtseintrag des Menschen von weiblich auf männlich korrigiert, so bleibt er als Elternteil in der Geburtsurkunde des Kindes dennoch weiblich und genau so auch anders herum. Das heißt, hier wird es immer die Gefahr eines Zwangsouting oder Fremdouting geben. Nicht nur das, es ist quasi vorprogrammiert, dass sich das Kind irgendwann unangenehmen Fragen stellen muss!

Auch hier besteht dringen Handlungs- und Änderungsbedarf!

Lasst uns doch bitte endlich im 21. Jahrhundert ankommen!